Wiese, wo einst Fahrspaß war

KLEINLINDEN – Die Radfahrervereinigung 1904/27 Gießen-Kleinlinden musste sich dieser Tage mit dem Rückbau ihres Trainingsgeländes an der Kleinlindener Brüder-Grimm-Schule von einer ganzen Abteilung des Vereins verabschieden, die einst ein Aushängeschild war.

Sie zierten einige Jahre in Folge den Flyer der Stadt Gießen für die Veranstaltung „Sport in der City“ und waren auch für die Radfahrervereinigung 1904/27 Gießen-Kleinlinden ein Aushängeschild: die Aktiven der Trial-Abteilung.

Im nächsten Jahr wäre zehnjähriges Jubiläum gewesen, doch vom Trial-Gelände der Kleinlindener Radfahrervereinigung zeugt jetzt nur noch ein Zaun um nun wieder unscheinbare Wiese, wo einst viel Fahrspaß war. Während ein paar letzte Holzbauteile dort langsam zerfallen, sind die Erinnerungen des Vereinsvorstandes an die Trial-Abteilung und ihr Trainingsgelände sehr präsent und der Abschied schmerzlich.

Trial-Gelände in Kleinlinden im Juni 2018Trial-Gelände in Kleinlinden im Oktober 2024

Sommer 2018: Die gut besuchten Wettbewerbe auf dem Trial-Gelände ernteten viel Lob. Archivfoto / Foto: Stephan Dietel.
Tipp: Durch Verschieben des Reglers können beide Fotos miteinander verglichen werden.

Familie, Beruf und behördliche Auflagen

„Mit ihren mutigen Auftritten bei Veranstaltungen wie Sport in der City, eigenen Events und als Ausrichter zahlreicher Landesmeisterschaften, haben sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nach über zehn Jahren müssen wir nun schweren Herzens dem Trial-Sport Lebewohl sagen,“ schreibt der Vereinsvorsitzende Wolfgang Rinn auf der Internetseite der Kleinlindener Radfahrervereinigung. Mit dem Ausscheiden der beiden Hauptakteure, Lukas Welcker und Sönke Südbrock gehe eine Ära zu Ende. Familiäre und berufliche Verpflichtungen hätten dazu geführt, dass „dieses geschätzte Hobby in den Hintergrund rückte“, schreibt der Verein. Die Aktivitäten der Trial-Abteilung und der Betrieb des Trial-Geländes konnten ohne die beeindruckend engagierten Abteilungsleiter nicht mehr fortgeführt werden.

Das personelle Ausscheiden sei jedoch nicht der einzige Grund für die Entscheidung gewesen, das Gelände an der Kleinlindener Brüder-Grimm-Schule aufzugeben, schildert der Verein. Die Anordnung, dass das Gelände aus versicherungstechnischen Gründen einzuzäunen ist, habe „das öffentliche Interesse stark verringert“. Spontane Übungseinheiten seien dann nicht mehr möglich gewesen. Aufsichtspersonal für die Nutzung des Geländes zu stellen und einen Schließdienst zu organisieren, hatte sich damals schon früh als eine Herausforderung gezeigt. Vandalismus wurde am Zaun des Geländes sichtbar und immer wieder an Glasscherben, die vor dem Training beseitigt werden mussten.

Trial-Gelände in Kleinlinden im Juni 2018Trial-Gelände in Kleinlinden im Oktober 2024

Gehört bald der Vergangenheit an: Mit den letzten Holz-Hindernissen (rechts) wird das Trial-Gelände an der Brüder-Grimm-Schule im Gießener Stadtteil Kleinlinden bald ganz verschwunden sein. Archivfoto / Foto: Stephan Dietel.
Tipp: Durch Verschieben des Reglers können beide Fotos miteinander verglichen werden.

Wehmut und große Wettbewerbe

„Trotz allem Wehmut blicken wir gerne auf die erfolgreiche Zeit zurück, die wir mit unserer Trial-Sparte erleben durften“, schreibt der Verein in seinem Abschieds-Artikel im Internet. Der Trial-Sport sei immer eine Nischensportart gewesen, aber man habe sich im Vorstand stark für dessen Unterstützung eingesetzt. Die Investitionen beliefen sich über die Jahre demnach auf einen hohen fünfstelligen Betrag. Eine Investition, die jeden Cent wert gewesen sei. Im August 2015 fand mit dem Fahrradtrial-Hessencup der erste Wettbewerb auf dem damals neuen Trial-Gelände statt. Anwohnende wussten damals nicht so recht, ob es sich um die Installation eines Kunst-Projektes handelte oder was es mit den in scheinbar loser Anordnung aufgestellten Gegenständen handelte. Steine, Baumstämme und Beton-Teile dienten jedoch dem Aufbau für den Wettkampf, über dessen Vorbereitung wir damals berichteten. Im September 2016 fand die Hessenmeisterschaft und erneut ein Wettbewerb des Hessencups auf dem Areal statt. Zur Norddeutschen-Meisterschaft und der Hessenmeisterschaft im Juni 2018 kamen sogar Aktive aus Schweden und Nina Reichenbach nach Kleinlinden, die schon damals Weltmeisterin im Fahrradtrial war und bis heute sechs Mal den WM-Titel im Einzel ergatterte.


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Das Gelände an der Kleinlindener Brüder-Grimm-Schule sei „eine riesige Spielwiese für eine der beeindruckendsten Radsportarten“ gewesen, schreibt der Verein auf seiner Internetseite und bringt zum Ausdruck, wie schwer die Entscheidung gefallen ist, das Gelände aufzugeben. Die Instandhaltung des Geländes habe die Vereinskasse belastet und der Zeitaufwand zur Pflege des Areals konnte nicht mehr aufgebracht werden. Die Idee, das Areal in einen Pumptrack für die benachbarte Schule umzubauen oder es als Trainingsstätte für eine Rettungshundestaffel zu nutzen, konnten das Ende des Geländes auch nicht abwenden.

Dank an Macher und Unterstützende

Mit einem Dank an Lukas Welcker und Sönke Südbrock, die das Gelände damals mit vielen Stunden Arbeit aufbauten und auch bei einer der letzten Aktionen mit anpackten, nimmt die Radfahrervereinigung 1904/27 Gießen-Kleinlinden nun Abschied von ihrem Trial-Gelände und der Trial-Abteilung. Ihr Dank gelte auch dem Ehrenpräsidenten Gerd Kloske und der Stadt Gießen, die dieses Projekt von seinem Beginn bis zu seinem Ende unterstützt hätten.

Die Erinnerungen an das, was auf dieser Wiese fast zehn Jahre war, dürften noch einmal aufflackern, wenn der Verein nach dem Abbau des Zauns ein letztes Mal mäht. Danach wird nur noch Wiese wachsen, wo einmal eine mittelhessische Hochburg im Fahrradtrial war.

Trial-Gelände in Kleinlinden im Oktober 2024
Zaun abbauen, aufräumen und mähen: Dann ist es um den Trial-Radsport in Kleinlinden geschehen. Foto: Stephan Dietel

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Stephan Dietel
Gründer | Redaktionsleitung | CvD | Ressortleitung Straße | Leitung Multimediaredaktion | sd@radsportnachrichten.com

Er wohnt im Gießener Ortsteil Rödgen und legte im Jahr 2001 mit Erlebnisberichten über selbst gefahrene Radrennen den Grundstein. Mit großem Interesse am Radsport und am Journalismus entwickelt er mit seinem Team die Radsportnachrichten aus Mittelhessen immer weiter.

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